Der Knowledge Graph: Revolution in der Google-Suchtechnologie?

Mittwoch, 12. Dezember 2012 um 17:55 von Thorsten Schneider in SEO & SEM
Hierzulande weitgehend unbemerkt, da zunächst nur in der englisch-sprachigen Google-Suche zu sehen, hat Google seine Suchtechnologie um ein Element erweitert, das Google "Knowledge Graph" nennt. Im Mai 2012 hatte Google damit begonnen, die neue Technologie in der englischsprachigen Suche zu verwenden. Seit einigen Tagen ist der Knowledge Graph nun auch in der deutschsprachigen Suche integriert.
In diesem Blogbeitrag erkläre ich, was es damit auf sich hat und ob es sich dabei um eine echte Revolution in der Web-Suche handelt. In einem weiteren Blogbeitrag werde ich mich dann mit der Frage beschäftigen, welche Implikationen der Knowledge Graph auf die Suchmaschinenoptimierung hat.
Ein Schritt in Richtung semantische Suche
Mit dem Knowledge Graph geht Google einen großen Schritt in Richtung semantische Suche, d.h. einer Suche, die nicht nur Dokumente sucht, die für die vom Suchenden eingegebenen Zeichenkette relevant sind, sondern versucht zu berücksichtigen, wonach, d.h. nach welchem Ding, welcher Person, welchem Konzept oder was auch immer der Suchende tatsächlich sucht. Mit anderen Worten, Google versucht zu verstehen, was die eingegebene Zeichenkette bedeutet und zu dieser Bedeutung passende Dokumente zu finden.
Das ist gar nicht so einfach, weil die wenigsten Dokumente im World Wide Web semantische Informationen beinhalten. Obwohl der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, seit vielen Jahren am Konzept des semantischen Webs arbeitet, ist davon in der aktuellen Wirklichkeit des WWW kaum etwas zu sehen.
Das mag damit zusammenhängen, dass die wenigsten Webseiten-Betreiber und noch weniger Web-Nutzer sich der Problematik überhaupt bewusst sind, da Menschen meistens sehr schnell erkennen, worum es auf einer Webseite geht.
Nehmen wir an, Sie suchen nach einem Hotel in Tokio und geben in Google als Suchbegriff ein Tokio Hotel. Möglicherweise sind Sie überrascht, dass Google Ihnen massenhaft Webseiten über eine deutsche Pop-Band anzeigt, obwohl Sie eigentlich ein Hotelzimmer in der japanischen Hauptstadt suchten.
Zumindest erkennen Sie schon in der Ergebnisliste mit einem Blick, ob sich eine Webseite mit Hotelzimmern oder mit der Band beschäftigt.
Computer dagegen tun sich exakt damit ungleich schwerer. Zum einen kann Google nicht wissen, welche Bedeutung die beiden Begriffe Tokio und Hotel in Ihrer persönlichen Suche haben. Zum anderen ist es für Google schwierig zu erkennen, mit welchem der beiden ganz unterschiedlichen Dinge sich eine Webseite beschäftigt. Also besteht die Gefahr, dass Sie Hotelzimmer finden, wenn Sie Informationen zur Band suchen und umgekehrt.
Mit dem Knowledge Graph hat Google eine Technologie entwickelt, die dazu beitragen soll, solche Probleme bei der Suche zu lösen.
In einem kleinen Video erklärt Google den Knowledge Graph so:
Beispiele
Nach diesen pathetischen Worten schauen wir uns das nun mal in der Praxis anhand einiger Beispiele etwas Näher an:
Gibt man z.B. als Suchbegriff europe in der Google-Suche ein, so ist es für Google schwierig zu erahnen, wonach Sie eigentlich suchen, denn der Begriff europe ist mehrdeutig. Er steht nicht nur für einen Erdteil, sondern auch für eine bekannte schwedische Rockband. Oder vielleicht suchten Sie gar nach Informationen zur Europäischen Union?
Der Knowledge Graph kennt diese verschiedenen Bedeutungen, und so erhält man nun eine Ergebnisseite, die nicht nur die altbekannten Suchtreffer enthält, sondern in der rechten Spalte werden - interessanterweise im Moment anstelle der Adwords-Anzeigen, die sonst dort erscheinen - Boxen mit Informationen zu den verschiedenen Bedeutungen des Suchbegriffs eingeblendet. Der Suchende kann nun wählen, welche Bedeutung des Begriffs er meint und erhält dann spezifische Suchtreffer, die sich auf die gewählte Bedeutung beziehen.
Die erste Funktion des Knowledge Graph besteht also darin, bei Suchbegriffen, die mehrere Bedeutungen haben, herauszufinden, für welche Bedeutung des Suchbegriffs sich der Suchende interessiert.
Bild: Suchergebnisseite für den Suchbegriff "europe". Der Knowledge Graph zeigt drei verschiedene Bedeutungen für den Suchbegriff an: Eine schwedische Rockband, ein Erdteil sowie eine Organisation, die eng mit dem Erdteil verbunden ist.
Wählt man nun die erste Bedeutung, die schwedische Band, so erhält man nicht nur Suchergebnisse für diese Bedeutung des Begriffs, sondern auch eine ganze Reihe von Detailinformationen dazu, im konkreten Beispiel Informationen zur Besetzung der Band, eine Liste bekannter Songs sowie eine Kurzinfo, die aus Wikipedia stammt.
Außerdem werden sinnverwandte Suchbegriffe angezeigt, z.B. die Namen anderer Rockbands oder Musiker.
Schauen wir uns noch ein Beispiel an: Der Suchbegriff lautet diesmal einstein.
Wieder ist der Begriff nicht eindeutig. einstein könnte z.B. für den berühmten Physiker Albert Einstein stehen, oder vielleicht sucht der Suchende ein gleichnamiges Café in der Nähe seines Wohnortes?
In diesem Fall entscheidet sich Google dafür, die Detailinformationen zur Bedeutung Physiker Albert Einstein sofort einzublenden und darunter eine Karte aus Google Maps (bzw. Google Places), in der Orte in der Nähe des Suchenden angezeigt werden, die Einstein heißen. In meinem Fall ein Café/Bar/Restaurant sowie einen Steineladen mit dem Namen "EinStein".
Die Knowledge Graph-Datenbank enthält angeblich bereits mehr als 500 Millionen Einträge zu Personen, Orten, Organisationen und sonstigen Dingen, sowie mehr als 3,5 Milliarden Attribute und Verknüpfungen zwischen diesen Daten. Allein dies zeigt, welchen Aufwand Google in die Entwicklung des Knowledge Graph bereits investiert hat.
Welche Implikationen hat der Knowledge Graph?
Die Beispiele zeigen, dass der Knowledge Graph eine beeindruckende Technologie ist, die für den Suchenden durchaus nützlich sein kann. Der Knowledge Graph hat aber nicht nur Vorteile für die Suchenden, sondern auch für Google selbst: Google geht immer mehr dazu über, nicht nur mit kurzen Meta-Informationen (die in der Regel aus dem <meta name="description" content="..."> HTML-Tag der Suchtreffer stammen, auf die Suchergebnisse zu verlinken, sondern immer mehr Informationen zur Suche direkt auf der Ergebnisseite anzuzeigen. Auf diese Weise verbringen die Suchenden möglicherweise mehr Zeit bei Google und weniger Zeit auf den Zielseiten der Suchtreffer.
Hierzu gibt es bereits etliche kritische Stimmen. Viele Content-Anbieter fürchten um ihre Werbeeinnahmen. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass Google aktuell vor allem Inhalte aus Wikipedia präsentiert. Vermutlich gibt es auch eine Vereinbarung zwischen Google und Wikipedia. Weitere Quellen für die angezeigten Kurz-Infos sind Google Maps (bzw. Google Places sowie - wie nicht anders zu erwarten - Google+.
Je länger Google die Suchenden in ihrem "Universum" hält, desto besser lassen sich Anzeigen verkaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Knowledge Graph nicht lange werbefrei bleiben wird, da die Adwords-Anzeigen auf der Suchergebnisseite die Haupteinnahmequelle von Google sind (weit mehr als 90% seiner Umätze erzielt Google auf diesem Wege).
Fest steht, dass der Knowledge Graph die Art und Weise, wie wir suchen, verändern wird. Als SEO-Experte stelle ich mir die Frage, welche Implikationen der Knowledge Graph auf die Suchmaschinenoptimierung hat.
In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen.
Kommentare
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Mani
am Mittwoch, 23. Januar 2013, 19:55
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Thorsten Schneider
Das Geheimnis des Erfolgs liegt wie immer bei SEO in der Kombination möglichst vieler relevanter Signale. Also: weitermachen wie bisher, Onpage und Offpage-SEO nicht vernachlässigen und dann zusätzlich die Dinge tun, die ich im zweiten Teil meines Blog-Beitrags zum Knowledge Graph beschreibe. Bin gespannt, ob das wirkt!
am Mittwoch, 23. Januar 2013, 23:27
Nach Panda und Pinguin ein weiterer Schritt "minderwertige" Seiten in die Unbedeutsamkeit zu befördern. Die Frage ist nur, wie kann ich als SEO nun dafür sorgen, dass ich evtl mit meiner Seite auch mal den schattigen Platz auf der rechten Seite bekomme?
Ich hab zumindest schon mal angefangen und einige Seiten mit strukturierten Daten / Rich Snippets auszustatten.
Mal schauen, was dies jetzt und zukünftig bringt.
Ansonsten gilt weiterhin wohl die Devise: Abwarten und Link Juice trinken ;-)
Gruß Mani