An der Kaffeemaschine mit ... Peter Götz
Dienstag, 19. April 2022 um 10:00 von Robert von Heeren in An der Kaffeemaschine
Heute treffen wir an unserer virtuellen Kaffeemaschine Peter Götz. Peter ist freiberuflicher Trainer und Coach im Bereich des agilen Projektmanagements z.B. mit Scrum. Er schildert Euch, welchen typischen Aufgaben und Herausforderungen ihm als Trainer und Coach für Projektmanagement begegnet. Dabei gibt er auch wertvolle Tipps für angehende Projektmanager.
Was begeistert Dich an Deinem Job am meisten?
Der wichtigste Aspekt meiner Arbeit ist die Vielfalt an Themen und Eindrücken. Als Trainer und Coach arbeite ich fast jede Woche mit unterschiedlichen Teams, die alle ihre eigenen Themen und Probleme haben. Auf diese Weise wird es mir nicht langweilig.
Trotzdem ist es mir wichtig, nicht nur über agiles Arbeiten und die Softwareentwicklung zu sprechen, sondern auch aktiv in einem agilen Team zu sein. In der von mir vor eineinhalb Jahren mitgegründeten Firma bin ich deshalb neben meiner Arbeit als Trainer und Coach noch Softwareentwickler in einem Scrum-Team. So behalte ich (hoffentlich) die Bodenhaftung und sehe, wie schwierig es ist, Dinge umzusetzen, die sich in meinen Trainings immer sehr leicht erklären lassen.
Welche typische Aufgabe, die in deinem beruflichen Alltag als Trainer & Coach für Scrum / DevOps / Kanban häufig anfällt, erledigst du besonders gerne?
Ich mag besonders den Anfang und das Ende eines Trainings. Für mich ist es jedes Mal wieder spannend, welche Menschen mit welchen Fragen zu mir ins Training kommen und ich freue mich darauf, diese kennen zu lernen.
Am Ende eines Trainings genieße ich die Ruhe, die im Trainingsraum und in mir einkehrt. Ich bin dann froh, meinen Krempel zusammenräumen zu dürfen und in Ruhe noch mal ein bisschen über die vergangenen Tage sinnieren zu können.
Kombinierst Du Scrum und Kanban oder setzt Du diese Projektmanagementmethoden je nach Bedarf und Anforderungen gezielt ein?
Für mich sind Scrum und Kanban wie Kaffee und Kuchen. Beides ist alleine eine gute Idee, aber wenn es geht, dann mag ich sie zusammen. Dabei ist mir wichtig, zu wissen, wo Scrum aufhört und Kanban anfängt (und umgekehrt). Ich rühre meinen Kuchen ja auch nicht in den Kaffee hinein.
Scrum bildet für mich den Rahmen der Arbeit. Die Trennung der Verantwortlichkeiten im Scrum-Team schafft Klarheit, die Artefakte und Events setzen den Rahmen empirischen Arbeitens und liefern Transparenz und die Gelegenheit der regelmäßigen Überprüfung und Anpassung des Status Quo. Zusammen mit den Scrum Werten können wir auf diese Weise Arbeit organisieren und auf Ziele hinarbeiten.
Kanban dient der Flussoptimierung. In dem oben genannten Rahmen steigern wir also die Effizienz, mit der Arbeit durch unser System fließt. Dabei ist Kanban wesentlich mehr, als Karten auf einem Board von links nach rechts wandern zu lassen. Der konsequente Fokus auf Metriken wie Cycle Time, Throughput oder Work Item Age helfen dabei, tagtäglich zu entscheiden, worauf wir achten müssen, um Arbeit optimal fließen zu lassen.
Zusammen steigern wir so die Effektivität unserer Arbeit ebenso wie die Effizienz. Wir tun also das Richtige (und steigern damit Wert) und das noch auf die richtige Art und Weise (mit möglichst wenig Wartezeiten und sonstiger Verschwendung).
Wenn jemand den gleichen Karriereweg in das agile Projektmanagement wie Du einschlagen möchte — was würdest Du ihr/ihm raten?
Ich denke, das Wichtigste ist, in verschiedenen Kontexten zu arbeiten und diese kennenzulernen. Ich hatte das Glück, relativ früh nach Ausbildung und Studium in die IT Beratung zu wechseln und habe in kurzer Zeit in sehr vielen verschiedenen Organisationen und Teams in unterschiedlichen Rollen gearbeitet. Diese Vielfalt an Eindrücken hilft mir, mehrere Perspektiven anhand meiner Erfahrung zu betrachten.
Neben dieser Praxis ist für mich auch theoretisches Wissen unverzichtbar. Ich möchte verstehen, welche Ideen und Prinzipien hinter dem stecken, was für mich funktioniert. Deshalb lese ich viel und auch in viele unterschiedliche Richtungen.
Diese zwei Dinge haben zumindest mir geholfen, da zu sein, wo ich jetzt bin. Lebensläufe dürfen und sollen vielfältig sein. Deshalb würde ich jedem Menschen raten, das zu machen, was einen begeistert und nicht zu versuchen, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten muss jemand mitbringen, um im agilen Projektmanagement erfolgreich zu arbeiten?
Ich habe die ersten Jahre mit Scrum noch im Projektmanagement gearbeitet und in Projekten mit begrenzter Laufzeit, definiertem Budget und geplantem Leistungsumfang gedacht. Heute denke ich eher in Produkten und damit langfristiger. Ich denke, dieser Fokuswechsel hilft schon mal dabei, agilen Teams und den Organisationen, in denen sie arbeiten, grundsätzlich zu helfen. Wir wechseln dabei von einer Output-zentrierten in eine Outcome-fokussierte Richtung.
Bei Projekten zählt am Ende häufig, dass wir vorher definierte und geplante Ergebnisse liefern (in time, in scope, in budget, ...). Das sagt aber noch nichts über den Wert der Ergebnisse für unsere Kunden aus. Wenn wir anfangen in Produkten zu denken, dann achten wir vermehrt auf Qualität und Wert unserer Arbeit und welche positiven Auswirkungen diese auf unsere Kunden haben werden. Wir arbeiten nachhaltiger und langfristiger und haben dadurch die Chance, aus dem oftmals vorherrschenden agilen Hamsterrad auszubrechen.
Was war in Deinem Beruf als Projektmanager, Trainer & Coach bisher die größte Herausforderung?
Am schwierigsten ist für mich immer, den Einwand »das geht aber bei uns nicht« zu beantworten. Speziell in Umgebungen, in denen ich keine eigene Erfahrung habe (also alles, was nichts mit Softwareentwicklung zu tun hat), kann ich zwar über Prinzipien und Ideen sprechen, wie agile Arbeit gedacht ist; ich kann aber keine eigenen Beispiele liefern, wie das aussehen kann. Hier bin ich auf Leute im Team oder im Training angewiesen, die mit ihrer Expertise den Bogen schlagen können zwischen den theoretischen Ideen, meinen Beispielen aus der Softwareentwicklung und ihrem eigenen Kontext.
Wenn das klappt, ist das allerdings auch das schönste Ergebnis.
Wie sehr beeinflussen Nachbardisziplinen der IT wie z.B. Internetprogrammierung, Erfolgsanalyse und die Managementmethode nach OKR Deine Arbeit?
Ich suche bei allen Themen, die mir vor die Füße fallen, nach Schnittmengen und Gemeinsamkeiten zu dem, was ich verstehe. Ich möchte also gerne verstehen, wie ich das Eine zusammen mit dem Anderen gut verbinden kann, um Synergien zu schaffen.
Eine rein getrennte Betrachtung von Themen erscheint mir in der Vernetztheit der zu bearbeitenden Themen und zu lösenden Probleme auch nicht sinnvoll.
Insgesamt denke ich, wir sollten weniger darüber nachdenken, ob jetzt Werkzeug A oder Idee besser passt, sondern herausfinden, wie wir A und B gut zusammen nutzen. Statt in entweder/oder denke ich lieber in sowohl/als auch-Ansätzen.
Wie sieht aus deiner Sicht die Zukunft des agilen Projektmanagements mit Scrum und Kanban aus? Zeichnen sich z. B. bestimmte Trends ab?
Ich befürchte, ich bin ein Mensch, der selbst keine Trends entdeckt. Ich habe alle Sachen, mit denen ich arbeite, nur durch Zufall gefunden. Ich hoffe aber, wir finden einen Ausweg aus der agilen Kleinstaaterei (Scrum vs. Kanban vs. DevOps vs. OKR vs. eXtreme Programming vs. …) und fangen an, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie wir die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen können. Für mich verblasst die Frage nach den o.g. Themen hinter der Frage, ob wir in 50 Jahren noch einen bewohnbaren Planeten haben und welche Welt unsere Kinder und Enkel kennen lernen werden.
Wie schätzt Du den Bedarf an Projektmanagern mit Kenntnissen in agilen Vorgehensmodellen für die nächsten Jahre ein?
Ich glaube, das Thema Agilität ist nach wie vor relevant — vielleicht relevanter denn je. Ich denke, große Organisationen sind gerade dabei, zu lernen, wie umfassend der Wechsel einer plangetriebenen und mikroeffizienzorientierten zu einer agilen und gesamtsystemischen Sicht ist und dass es nicht dabei bleiben kann, einen Scrum Master oder Release Train Engineer zu ernennen, damit dann alles weiterläuft wie bisher, nur schneller, besser, billiger.
Und hierfür wünsche ich mir Leute, die den Mut haben, das einer solchen Organisation auch mitzuteilen und nicht agiles Theater mitzuspielen, weil es der Weg des geringsten Widerstands ist.
Zum Schluss noch etwas ganz anderes: Was hat Dich im Internet zuletzt zum Lachen, Nachdenken oder Umdenken gebracht?
Ich gehöre ja zur Generation »Katzenvideo« und habe drei (teilweise noch jüngere) Kinder. Zusammen finden wir deshalb (so peinlich das auch ist) Tiervideos lustig und süß.
Nachdenklich macht mich die Polarität in »meinem« eigentlich als freien und friedlichen Raum gedachten Internet. Als ich Ende der 90er Jahre das erste Mal online war, habe ich gar nicht verstanden, was daran so toll sein soll. Als ich Anfang der 00er Jahre angefangen habe, Software zu entwickeln und das Potenzial endlich erkannt habe, habe ich eigentlich erwartet, dass eine goldene Zeit anbrechen müsste. Umso ernüchterter bin ich aufgrun der wenig zielführenden und teilweise sehr hart geführten Diskussion in Kommentarspalten und den sozialen Medien. Ich hoffe, wir schaffen es als Gesellschaft, diese Tendenz umzukehren und die großen Vorteile von Vernetzung und Austausch zu nutzen.
Kontaktmöglichkeiten zu Peter:
Für alle Leser, die an einer entsprechenden Weiterbildung zum Projektmanager interessiert sind: In unserer Weiterbildung zum Web-Projektmanager führen wir in das klassische Projektmanagement ein. Darüber hinaus gehen wir ausführlich auf das agile Projektmanagement am Beispiel der Scrum-Vorgehensweise ein.
Tags: Projektmanagement , Scrum , kanban , devops , softwareentwicklung