Das neue Qualifizierungsgeld im Vergleich zu anderen Förderinstrumenten
Dienstag, 30. April 2024 um 11:00 von Stefan Wölfel in Arbeitsmarkt und Karriere
Angesichts von Fachkräftemangel in vielen Branchen und Regionen, aber gleichzeitig 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung*, hat die Bundesregierung im April mit dem Qualifizierungsgeld einen weiteren Baustein zu der bereits 2019 begonnenen "Qualifizierungsoffensive" hinzugefügt.
Durch Weiterbildung der Beschäftigten soll – unter anderem – der Transformation in der Arbeitswelt begegnet werden. Anstrengungen zur Klimaneutralität und Dekarbonisierung, aber auch zeitgleich Herausforderungen wie Künstliche Intelligenz verlangen neue Fähigkeiten und Kenntnisse. Da Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Produktpalette anpassen müssen, entstehen erhebliche Qualifizierungsbedarfe für deren Beschäftigte.
Mit den im April eingeführten Anpassungen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), sollte diesen Herausforderungen begegnet werden, unter anderem durch Erleichterungen und Vereinfachungen für Betriebe und Beschäftigte. Wir stellen den neuen Baustein Qualifizierungsgeld vor und werfen einen Blick darauf, wie es sich in die Umgebung der bereits bestehenden Förderinstrumente einfügt.
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1. Das neue Qualifizierungsgeld: Die wichtigsten Fakten im Überblick
Einer der wichtigsten Vorteile des sogenannten Qualifizierungsgeld sind feste Fördersätze. Zudem steht es allen Betriebsgrößen offen und erweist sich in dieser Hinsicht als wesentlich transparenter als das Qualifizierungschancengesetz, das in hohem Maße gestaffelt ist und eben nicht allen Betrieben offen steht. Auch hinsichtlich der Beantragung stehen die Zeichen eher auf Flexibilität: Insbesondere für kleine Betriebe wurde bei der Feststellung von Qualifizierungsbedarf und Beschäftigungserhalt eine Vereinfachung eingeführt, denn es reicht eine Erklärung des Arbeitgebers. Trotzdem verbleibt die Ermessensleistung bei der örtlichen Agentur für Arbeit, bei der der Antrag eingereicht werden muss.
Die neuen Regelungen ergeben sich vor allem aus § 82a-c SGB III, die ab dem 01. April 2024 neu ins dritte Sozialgesetzbuch eingefügt wurden. Am ehesten können Parallelen zum Kurzarbeitergeld gezogen werden, denn auch hier liegt der Fokus auf einer Ersatzleistung für das Arbeitsentgelt, das während der Weiterbildung weiterbezahlt wird: Bei Beschäftigten mit Kind beträgt die Leistung 67 Prozent des Arbeitsentgelts, bei Beschäftigen ohne Kind 60 Prozent. Die individuelle Höhe des jeweiligen Anspruchs zahlt das Unternehmen an Beschäftigte aus, lässt sich diese jedoch im Nachgang von der Arbeitsagentur erstatten. Die Kosten für die Weiterbildung übernimmt das Unternehmen.
Grundlage der Berechnung ist wie beim Kurzarbeitergeld die sogenannte Nettoentgeltdifferenz. Dies ist die Differenz aus dem Soll-Gehalt, das die jeweiligen Beschäftigten regulär verdienen würden, und dem Ist-Gehalt, das bei der durch Weiterbildung reduzierten Arbeitszeit verbleibt. Den Antrag stellt das Unternehmen rechtzeitig vor Beginn der Weiterbildung. Wichtig: Die Nettoentgeltdifferenz muss anhand der Zahlen eines Abrechnungszeitraums errechnet werden, der mindestens drei Monate vor Beginn der Weiterbildung liegt (ohne Einbeziehung von Überstunden und Einmalzahlungen). Unterschied zum Kurzarbeitergeld: Die Nettoentgeltdifferenz wird in diesem Fall nur einmalig und nicht fortlaufend berechnet, denn die reduzierten Arbeitszeiten schwanken in diesem Fall nicht. Werfen wir einen Blick auf die Voraussetzungen.
Förderbedingungen für das Qualifikationsgeld
- Struktureller Wandel: Bedarf an Weiterbildung muss durch Herausforderungen des Strukturwandels verursacht sein. Ziel ist die "zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen".
- Belegschaftsanteil: Mindestens 10 % (ab 250 Mitarbeitern: 20 %) der Belegschaft müssen vom Strukturwandel betroffen sein.
- Beschäftigungserhalt: Während der Qualifizierung muss das Beschäftigungsverhältnis erhalten bleiben.
- Umfang: Mindestens 120 Stunden, maximal bis zu zwei Jahre (Vollzeit) möglich.
- Finanzierung: Volle Kostenübernahme durch Arbeitgeber, keine Eigenbeteiligung der Mitarbeiter.
- Träger: Qualifizierung nur bei von der Arbeitsagentur zugelassenen Trägern möglich (AZAV-Zulassung).
- Langfristige Ausrichtung: Keine Förderung rein arbeitsplatzbezogener, kurzfristiger Maßnahmen.
- Betriebsvereinbarung: In Betrieben mit ≥ 10 Mitarbeitern erforderlich.
- Kombination: Keine Kombination mit anderen Weiterbildungsförderungen der Arbeitsagentur.
2. Neuerungen beim Qualifizierungschancengesetz (§ 82 SGB III)
Das Qualifizierungschancengesetz von 2019 wurde ebenfalls im April 2024 durch das "Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung" erweitert und flexibilisiert. Die Neuregelung kommt insbesondere kleinen Unternehmen zugute, die nun 100 % Lohnkostenerstattung während der Weiterbildung für ihre Beschäftigten erhalten. Zudem wurden auch hier feste Förderhöhen festgelegt.
Keine Kombinationsmöglichkeit bei Förderleistungen
Wichtig: Die Förderungen aus dem Qualifizierungschancengesetz und das Qualifikationsgeld können nicht miteinander kombiniert werden! Unternehmen und Beschäftigte müssen sich für eine der beiden Förderleistungen entscheiden.
Voraussetzungen für das Qualifikationschancengesetz
- Betriebsgröße: Gestaffelt nach Betriebsgröße: Die Höhe des Qualifizierungsgeldes ist abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen.
- Qualifizierungs-Mindestdauer: Die Qualifizierungsmaßnahme muss mehr als 120 Stunden / Unterrichtseinheiten umfassen.
- Veranstaltungsort: Die Qualifizierung kann flexibel entweder außerhalb oder innerhalb des Betriebs stattfinden.
- Trägerzulassung: Der Träger der Qualifizierungsmaßnahme muss nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) zertifiziert sein. Es ist jedoch keine zusätzliche Maßnahmezulassung erforderlich.
- Teilnehmerhistorie: In den letzten zwei Jahren vor der Beantragung des Qualifizierungsgeldes darf keine öffentlich geförderte Weiterbildung für den Arbeitnehmer stattgefunden haben (Doppelförderung).
- Art der Qualifizierung: Eine Aufstiegsfortbildung (z. B. Meister-, Techniker-, Fachwirtfortbildungen, Bachelor etc.) ist nicht förderfähig.
- Nicht förderfähige Maßnahmen: Gesetzlich vorgeschriebene Schulungen und Maßnahmen, zu deren Durchführung der Arbeitgeber aufgrund von bundes- oder landesrechtlichen Regelungen verpflichtet ist (z. B. Sicherheitsunterweisungen), sind nicht förderfähig.
- Ermessensentscheidung: Die Bewilligung des Qualifizierungsgeldes liegt im individuellen Ermessen der örtlichen Agentur für Arbeit.
3. Gilt noch bis 31. Juli 2024: Weiterbildung während Kurzarbeit (§ 106a SGB III)
Kurzarbeit hat sich seit Jahren als Instrument für Unternehmen erwiesen, um längere Durststrecken ohne schmerzhafte Einschnitte bei den Beschäftigtenzahlen zu überstehen. Mit den Bestimmungen § 106a SGB III können Beschäftigte diese Zeit zusätzlich zur Weiterbildung nutzen. Dadurch ergibt sich die einmalige Chance, in Kurzarbeitszeiten individuelle Qualifikationen Fachbereichen zu erlangen. So gewinnen Unternehmen leistungsfähigere Teams, stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit und steigern ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Sie haben die Chance, aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Beschäftigte hingegen bringen ihr Know-how auf den neuesten Stand oder erlangen neue Qualifikationen.
Finanzielle Unterstützung durch die Agentur für Arbeit: Während der Weiterbildung in Kurzarbeit übernimmt die Agentur für Arbeit 50 % der Sozialversicherungsbeiträge. Hinzu kommt eine Erstattung der Weiterbildungskosten, die je nach Betriebsgröße gestaffelt ist:
- Kleinbetriebe (bis 10 Beschäftigte): 100 % der Lehrgangskosten
- Betriebe mit 10 – 249 Beschäftigten: 50 % der Lehrgangskosten
- Betriebe mit 250 – 2499 Beschäftigten: 25 % der Lehrgangskosten
- Betriebe mit 2500 oder mehr Beschäftigten: 15 % der Lehrgangskosten
Voraussetzungen für die Förderung:
- Die Qualifizierungsmaßnahme und der Träger müssen nach den Standards der Bundesagentur für Arbeit (AZAV) zertifiziert sein.
- Die Qualifizierungsmaßnahme muss mindestens 120 Stunden umfassen.
- Die Qualifizierungsmaßnahme darf nicht vor Beginn der Kurzarbeit starten.
- Lehrgangskosten werden dem Arbeitgeber auf Antrag bis zum 31. Juli 2024 erstattet.
Wichtig: Diese Maßnahme kann nur noch bis 31. Juli 2024 beantragt werden. Die ursprünglich aus der Zeit der Corona-Pandemie stammende Weiterbildungsförderung hat sich in den vergangenen vier Jahren bei zahlreichen Unternehmen bewährt und wurde jährlich verlängert. Ob sie über den Stichtag hinaus zur Verfügung stehen wird, ist nicht entschieden. Die gesetzlichen Regelungen zum Kurzarbeitergeld abseits der Weiterbildungsoption bleiben davon unberührt.
Die Arbeitsagentur bietet Betrieben Unterstützung durch:
- Eine Qualifizierungsberatung, die individuell auf die Betriebe abgestimmt wird.
- Förderleistungen wie Zuschüsse zum Arbeitsentgelt und den Lehrgangskosten oder Zahlung eines Qualifizierungsgeldes.
- Informationen zur Beantragung bei der Arbeitsagentur
Tags: Förderung , Qualifizierungsgeld